BAG 2010 I

Das Team (v.l.n.r. Marty Kaiser, Vivien Pawloff, Viktoria Holm) und Prof. Dr. Reinhard Singer (ganz links) nach dem Pre-Moot in Warnemünde.

 

 

 

Seit 2006 findet im Zweijahresrhythmus am Bundesarbeitsgericht in Erfurt ein arbeitsrechtlicher Moot Court statt. Nahmen an der ersten Veranstaltung noch 17 Teams teil, so hat sich deren Zahl im Jahre 2010 bereits auf 32 erhöht.

Ein Moot-Court ist eine simulierte Gerichtsverhandlung und soll den Teilnehmern einen realitätsnahen Einblick in die rechtsanwaltliche Tätigkeit verschaffen. Insbesondere die freie Rede sowie Rhetorik werden geübt und sind gleichzeitig unabdingbare Voraussetzung für einen souveränen Auftritt.

Über diese prozessanwaltlichen Grundfähigkeiten hinaus geht es insbesondere darum, die -auch wirtschaftlichen- Mandanteninteressen möglichst effektiv durchzusetzen. Dies unterscheidet die Herangehensweise an juristische Fragen wesentlich von der richterlichen Perspektive, wie sie in der Uni fast ausschließlich maßgebend ist.

Im Rahmen des Moot-Court am BAG schlüpfen die Studenten so in die Rolle von Rechtsanwälten, die jeweils die Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberseite in einem fiktiven Rechtsstreit vertreten.

II. Das Team

Das Team, das die Humboldt Universität zu Berlin dieses Jahr vertreten hat, bestand aus den Studenten der Rechtswissenschaften Viktoria Holm, Marty Kaiser und Vivien Pawloff. Coaching und intensive Betreuung übernahmen Herr Prof. Dr. Reinhard Singer, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Anwaltsrecht, Familienrecht und Rechtssoziologie sowie Herr Rechtsanwalt Ivailo Ziegenhagen.

III. Der Ablauf

1. Das Vorverfahren

Nach Anmeldung und Zulassung durch das BAG folgte die Zustellung eines identischen Sachverhaltes an alle teilnehmenden Teams, welche von Universitäten aus dem gesamten Bundesgebiet ins Rennen geschickt wurden.

Der Sachverhalt bildete die als ausermittelt geltende tatsächliche Grundlage für die folgende Arbeit. Zeitgleich mit der Zustellung wurde jedes Team darüber informiert, welche Partei es zu vertreten habe und welche Universität die gegnerischen „Rechtsanwälte“ stelle.

Es galt in der Folge, entweder eine Klageschrift, oder eine Klageerwiderung zu verfassen. Hierfür waren an Form und Inhalt gleiche Anforderungen gestellt, wie in einem echten Rechtsstreit. Dies stellt insbesondere für Studenten, die naturgemäß eine eher wissenschaftliche Herangehensweise an Rechtsfragen haben, eine besondere Herausforderung dar. Für uns bedeutete dies ein nicht zu unterschätzendes Umdenken. In viel Eigenarbeit, und dank der erstklassigen Hilfe der Betreuer konnte sich unser Schriftsatz aber durchaus sehen lassen.

Nachdem in gemeinsamer Arbeit die materiellrechtlichen Probleme des Falls identifiziert worden waren, erarbeiteten wir unter Beachtung der Formalia eine möglichst schlüssige Argumentation, die gleichzeitig die Grundlage für das spätere Plädoyer bilden sollte. Nach der Abgabe des eigenen Schriftsatzes beim BAG wurde selbiger unverzüglich an die Gegenseite weitergeleitet. Auch wir bekamen den Schriftsatz der Gegenseite zugesandt.

Daraufhin setzten wir uns intensiv mit der gegnerischen Argumentation auseinander und brachten unsere eigenen Angriffs- und Verteidigungsmittel für die mündliche Verhandlung in Stellung.

2. Generalprobe beim Pre-Moot in Rostock

Auf Einladung von Herrn PD Dr. Jörg Benedict, Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Europäisches Privatrecht in Verbindung mit Rechtsphilosophie an der Universität Rostock begaben wir uns in die Hansestadt, um am dort veranstalteten Pre-Moot teilzunehmen.

Die beiden Teams der Universität Rostock, ein Team der Universität Greifswald und wir hatten so die Gelegenheit, den Moot-Court unter Realbedingungen vorzubereiten. In diesem Rahmen konnten alle drei Teams plädieren und sich dem fachlich anspruchsvollen Urteil einer Kammer stellen, die sich aus Herrn Prof. Dr. Reinhard Singer, Frau RA Dr. Doris Geiersberger und Herrn RiLAG Joachim Seel zusammensetzte.

Darin lag eine ausgezeichnete Übung für den Ernstfall, die uns gleichzeitig die Hemmung vor dem öffentlichen Vortrag nahm.Gerade die direkte Konfrontation mit den gegnerischen Teams war für uns sehr lehrreich und half uns dabei, eigene noch bestehende Schwächen zu eliminieren.

3. Der Wettbewerb

Am 21. Januar 2010 war es endlich so weit; der Moot-Court am BAG in Erfurt begann.

Wir traten gegen eines von zwei Teams der Ludwig-Maximilian Universität München an.

Die Verhandlung fand vor einer der vier eigens für den Moot Court eingerichteten Kammern statt, die mit je drei Berufsrichtern des BAG besetzt waren.

Aus Rücksichtnahme auf die anreisenden Studenten fand die gesamte Veranstaltung an einem Tag statt und zog sich daher bis in die frühen Abendstunden hin. Aufgrund dieser organisationsbedingten Prämisse war die Kapazität des BAG mit 32 antretenden Teams auch erreicht.

Pro Kammer verhandelten somit acht Gruppen, wovon die jeweils beste in das Halbfinale vorrückte. Aus den zwei Halbfinalverhandlungen kam jeweils der Gewinner in das Finale. Anders als bei anderen Moot-Courts werden öffentlich keine Punkte vergeben und es wird keine Rangliste erstellt. Ebenso werden auch nicht die Schriftsätze bewertet oder gar prämiert. Allen Teilnehmern wird jedoch eine Teilnahmebescheinigung ausgestellt.

In der ersten Runde verhandeln die gegnerischen Teams noch unter Ausschluss der Mitbewerber; ab dem Halbfinale finden die Verhandlungen öffentlich unter Zugang für alle Teilnehmer statt.

Das zweite Team der LMU München, das ebenfalls unserer Kammer zugeteilt war, zog in das Halbfinale ein und konnte in der Folge den gesamten Wettbewerb für sich entscheiden.

IV. Unser Résumé

Wir sind der einhelligen Meinung, dass die Teilnahme am Moot Court eine wirkliche Bereicherung des Studiums ist. Zum einen ist es eine komplett neue Erfahrung, an einem solchen Wettbewerb teilzunehmen, zum anderen wird das Recht, mit dem man sich zwar tag täglich beschäftigt, einmal von einer ganz neuen Seite beleuchtet.

Die rechtsanwaltliche Herangehensweise an einen juristischen Sachverhalt war für uns eine sehr erfrischende und für die Zukunft motivierende Erfahrung. Über die fachliche Ebene hinaus war der Wettbewerb für uns die perfekte Gelegenheit, Teamwork und Durchsetzungsvermögen zu trainieren.

Gerade in Anbetracht der zuweilen über alle Maßen theoretischen universitären Ausbildung können wir nur jedem Kommilitonen empfehlen, selbst eine solche Chance zu nutzen und an einem Moot-Court teilzunehmen.

V. Die Zukunft

Wir hoffen sehr, dass sich in zwei Jahren wieder interessierte Studenten finden werden, die sich für den Moot Court begeistern.

Aus den gewonnen Erfahrungen ist den potenziellen Nachfolgern zu raten, von Beginn an kontinuierlich zusammen zu arbeiten. Ferner sind zumindest Grundkenntnisse im Arbeitsrecht äußerst hilfreich, vor allem aber ausgeprägtes Interesse an diesem spannenden Rechtsgebiet.

Wir würden uns freuen, unsere Nachfolger im Jahr 2012 bei ihrer Vorbereitung zu unterstützen.

VI. Danksagungen

Unser ganz besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Reinhard Singer, der uns während der gesamten Vorbereitung ein unverzichtbarer Berater war. Seine fachliche sehr persönliche Unterstützung war uns eine große Hilfe, die wesentlich zum Gelingen beigetragen hat.
Herrn RA Ivailo Ziegenhagen danken wir für das Sponsoring und die fachliche Betreuung ebenfalls recht herzlich.

BAG 2010 2

Nach den Verhandlungen zusammen mit dem „gegnerischen“ Team der LMU München (v.l.n.r. A. Aumann, V. Holm, V. Pawloff, M. Kaiser, C. Rumberger)