Charlotte Blamberger, Shari Odhiambo, Benjamin Zimmermann, Silvan Bennett-Schaar und Paul Schneider

2017/2018 waren wir zum dritten Mal als einziges deutsches Team Teil des Price Moots. Nach der Bewerbungsphase im August startete für uns die Vorbereitung für den Wettbewerb im Oktober, als der diesjährige fiktive Fall von der University of Oxford bereitgestellt wurde. Die Themen waren die Grenzen der Meinungs- und Informationsfreiheit vor dem Hintergrund des Schutzes der Privatsphäre und der öffentlichen Ordnung – die akuellen Probleme „hate speech“ und „fake news“. Einerseits sollte sich ein selbsterklärer Nationalist strafrechtlich verantworten, der auf einem Sozialen Netzwerk eine brisante Falschmeldung mit einem bearbeiteten Nacktbild der Immigrationsministerin postete. Doch damit nicht genug: aufgrund des Posts musste die Ministerin nicht nur zurücktreten, es gab auch gewälttätige Auseinandersetzungen, bei denen Einwanderer ums Leben kamen. Andererseits hatte sich auch das Soziale Netzwerk seiner Verantwortung zu stellen. Es ging zentral und die Frage, wann und ob es den Post hätte löschen müssen.

Fake News und deren Auswirkungen genauso wie der Schutz der Privatsphäre im Internet sind nicht nur höchst relevante Themen, sondern auch solche, die international sehr divers betrachtet werden. Daher verschafften wir uns zunächst einen Überblick über die weltweit unterschiedlichen Ansätze. Dabei recherchierten wir in nationalen Gesetzen, Gerichtsentscheidungen, multilateralen Verträgen, Aufsätzen und Büchern.

Nach einem Überblick ging es an die erste Phase des Wettbewerbs: das Verfassen des Schriftsatzes. Wir mussten uns sowohl in die Lage des Anwalts für den Verfasser des Posts und das Soziale Netzwerk (sog. Applicant) als auch in die des Vertreters des Staates (sog. Respondent) versetzen. Während die Applicant-Seite sich mehr auf das Hervorheben der Wichtigkeit der Meinungsfreiheit konzentrierte, lag die Herausforderung auf der Respondent-Seite darin klarzumachen, dass diese eingeschränkt werden müsse, soweit der Schutz anderer Rechte und der staatlichen Ordnung das fordert. Wir schrieben unter der Woche gemeinsam oder alleine an dem Schriftsatz und präsentierten wöchentlich untereinander und unseren Coaches die Ergebnisse. Laufend wurde verbessert und gefeilt, bis am sogenannten Page Turner – Wochenende (und in der Woche danach) im Januar in intensiver Teamarbeit die letzte Fassung erarbeitet wurde, die dann nach Oxford geschickt wurde.

Der erste Teil war nun vollbracht. Daraufhin gönnten wir uns eine kleine gemeinsame Auszeit in Amsterdam, wo wir das Team der dortigen Universität besuchten und an einer Konferenz des Instituts für Media Law teilnahmen. Natürlich wuchsen wir während dieser kurzen gemeinsamen Reise auch noch einmal als Team stärker zusammen.

Danach hatte jeder eine kurze Pause vom Moot. Ende Februar starteten wir dann frisch in die Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung in Oxford. Fünfmal die Woche trafen wir uns abends, um zu pleaden, das heißt, die Argumentation des Schriftsatzes in mündlicher Form vorzutragen. Dabei musste der Vortrag so spontan sein und das inhaltliche Wissen so verankert, dass in Oxford das Pleading sowohl frei, als auch mit Unterbrechungen durch Fragen der Richter gehalten werden konnte. Wir übten unsere Pleadings intensiv und bekamen ständig hilfreiches Feedback durch unsere Teamkollegen, die Coaches und auch von Teilnehmenden der letzten Semester.

Außerdem hatten wir die Möglichkeit uns bei den Kanzleien Raue und Lindenpartners vorzustellen und jeweils ein Probe – Pleading zu halten. Beide Termine ermöglichten dem Team durch hilfreiches Feedback und Tipps von den Praktikern die Pleadings weiter zu verbessern. Unsere Generalprobe vor Oxford war dann der Pre-Moot mit dem Team der Universität Amsterdam in Berlin – das erste Mal argumentierten wir gegen ein anderes Team, mussten auf deren Argumente eingehen und versuchen, die Richter zu überzeugen. Wir nahmen noch einmal viel Inspiration von diesem Austausch mit und perfektionierten unsere Pleadings weiter.

Am 9. April reisten wir und die Coaches schließlich nach Oxford. Schon am ersten Tag durften wir an einer Diskussion mit einem der führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet Meinungsfreiheit, Timothy Garton Ash, und dem Gründer des Moots, Monroe Price, teilnehmen. Direkt im Anschluss wurden die Bewertungen für die Schriftsätze, die sehr gut ausfielen, und der Plan für die erste Runde verteilt. Ab diesem Zeitpunkt wussten wir, wer wann pleaden würde und welche Argumente unserer Schriftsätze wir mit in die Verhandlung konnten. Nicht klar war jedoch, wer jeweils das andere Team sein würde – bis zur eigentlichen Verhandlung kann nur der Schriftsatz des gegnerischen Teams gelesen werden, der am Abend vor der Verhandlung herausgegeben wird.

In der Vorrunde konnten wir zwei Verhandlungen gegen ein englisches und ein amerikanisches Team 9:0 gewinnen und verloren gegen ein malaysisches Team nur knapp mit 3:6. Am Abend der letzten Vorrunde wurden die Achtelfinalisten bekanntgegeben. Als die Organisatoren unsere Team-Nummer aussprachen, konnten wir uns vor Freunde nicht mehr halten. Mit Stolz konnten wir uns tatsächlich für die nächste Runde qualifizieren, an der nur noch 16 der ursprünglich 160 Teams des Wettbewerbs 2017/2018 teilnahmen.

Wir bekamen wieder den Schriftsatz des gegnerischen Teams ausgehändigt und arbeiteten ihn gemeinsam in der Nacht vor der nächsten Verhandlung durch, recherchierten deren zitierte Fälle und suchten nach weiteren schlagkräftigen Gegenargumenten.

Die nächste Verhandlung konnten wir trotzdem leider nicht für uns entscheiden, aber trotzdem war der Wettbewerb noch nicht vorbei. Neben einem Question & Answer mit Vertretern von Facebook und vielen interessanten Gesprächen mit anderen Teams und Richtern, konnten wir auch bei den folgenden Runden bis hin zum Finale zwischen Singapur und den Philippinen zuschauen. Außerdem hatten wir auch Zeit, die faszinierende Studierendenstadt Oxford zu erkunden. Am Ende folgte die Preisverleihung. Wir wurden dabei mit dem Jonathan Blake Spirit of the Competition Award ausgezeichnet, weil wir nach dem Eindruck der Veranstalter den Moot Court am besten vertreten haben – ein grandioses Zeichen! Mit diesem erfolgreichen Abschluss reisten wir gemeinsam nach London, um dort noch den Abend zusammen zu verbringen, und dann schließlich wieder zurück nach Berlin.

Zusammengefasst war der Moot für uns alle die tollste Erfahrung, die wir in unserem Studium bisher machen durften. Wir hatten nicht nur die Gelegenheit, zu einem extrem spannenden und aktuellen Thema vor internationalen Experten auf dem Gebiet zu argumentieren, sondern haben auch gelernt, wie es ist, in einem großartigen Team aufeinander angewiesen zu sein, sich einander anzupassen und aufeinander zuzugehen. Wir können Euch eine Teilnahme am Moot wirklich wärmstens ans Herz legen!