HU-Team holt den Preis für das beste Respondent Memorial

Es ist der 11. Januar 2019, circa 22:00 Uhr. Zwei Stunden vor Abgabefrist. Das Jessup-Team der Humboldt-Universität sitzt gebannt vor zwei Laptops und arbeitet fieberhaft an den letzten Formulierungen des Schriftsatzes der Respondents. Der Kasten Club Mate und das Studentenfutter sind schon lange leer. Alles muss sitzen. Seit Mitte September arbeitet das Team an den beiden Schriftsätzen und feilt an der Argumentation. Es wird hin und her argumentiert, ob nicht dieses oder jenes Wort dem letzten und entscheidenden Argument mehr Kraft verleiht. Zudem sind da noch die Fußnoten und andere Formalitäten…

Schlussendlich passt alles und beide Schriftsätze konnten pünktlich nach Hamburg, den Austragungsort der diesjährigen National Rounds, geschickt werden.

Doch zurück zum Anfang: Der „Jessup“ ist der weltweit älteste und größte Moot Court. Er findet auf dem Gebiet des Völkerrechts statt. Über 600 Universitäten aus allen Regionen der Welt stellen jedes Jahr Teams, die sich allesamt mit dem Jessup „Problem“, dem Fall des Jahres, beschäftigen. Thema war in diesem Jahr die Verantwortlichkeit von Staaten für Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen durch „private“ Konzerne sowie die Aneignung von traditionellem Wissen indigener Völker.

Seit Jahren stellt die Humboldt-Universität ein Team und ist bei den German National Rounds, dem nationalen Vorausscheid, erfolgreich. Die Arbeit des Teams umfasst die Formulierung eines Schriftsatzes aus Sicht des Applicant (Kläger) und aus der des Respondents (Beklagter). Zudem wird von Anfang an am rechtlichen Vortragsstil gearbeitet. Nach der Abgabe der Schriftsätze Anfang Januar beginnt die sogenannte „Pleading Phase“. In dieser Zeit wird täglich am Vortrag und Vortragsweise geübt.

Was ist die Rechtsgrundlage für dieses Argument? Hat der Internationale Gerichtshof nicht in diesem Fall anders entschieden? Wieso sollten wir annehmen, dass diese Praxis schon völkergewohnheitsrechtlich etabliert ist? Diesen und weiteren Fragen muss sich das Team stellen und eine eloquente wie überzeugende Antwort finden. Bloßes auswendig lernen reicht nicht.

Nach der langen Vorbereitungszeit ging es Ende Februar endlich los: Die Universität Hamburg und die Bucerius Law School richteten die German National Rounds vom 20. – 24. Februar 2019 gemeinsam aus. Die Spannung stieg schon am Mittwochabend. Zum ersten Mal seit Monaten trifft man die Teams, die sich mit den gleichen Problemen befasst haben. Die sich auch Tage und Nächte in der Universität verschanzt und so die Schriftsätze fertig geschrieben haben. Wie haben sie die Probleme gelöst? Hat man vielleicht doch etwas übersehen? An den beiden darauffolgenden Tagen sollte das Team die Antwort bekommen.

Schlussendlich gab es für das Team der Humboldt-Universität eine äußerst bittere Enttäuschung am Samstagmorgen: Das Team schied im Viertelfinale aus. Nach überzeugenden Auftritten in den Vorrunden musste sich das Team gegen die späteren Finalisten der Universität Hamburg geschlagen geben.

Dies musste erst mal verarbeitet werden – lange Spaziergänge an der Elbe eignen sich hierfür hervorragend. Am Abend fand die Jessup Zeit für das Team dann noch ein versöhnliches Ende. Im Rathauskeller der Stadt Hamburg wurde das Team der Humboldt-Universität mit dem Preis für das beste Respondent Memorial geehrt.  

Im März nach den National Rounds fuhr das Team gemeinsam nach Den Haag und besuchte dort unter anderem den International Gerichtshof, sowie die Deutsche Ständige Vertretung. Es war überaus interessant die Orte des Geschehens des Völkerrechts zu erkunden und sich mit Expertinnen und Experten der Praxis austauschen zu können.

Das Team möchte sich ganz herzlich bei all seinen Unterstützerinnen und Unterstützern bedanken. Darüber hinaus ganz besonders bei unseren Coaches Jan Cludius und Bing-Yi Shen. Ohne ihre unermüdliche Geduld und Erklärwilligkeit wäre diese Zeit nicht so bereichernd gewesen wie sie es schlussendlich war.

Großer Dank gilt ebenfalls Professor Georg Nolte und seinem Team, die unsere Teilnahme erst ermöglicht haben. Zusätzlich hat das Netzwerk an Jessup-Alumni und Alumnae und Gastforscherinnen und Gastforschern an unserer Fakultät einen facettenreichen inhaltlichen sowie stilistischen Austausch ermöglicht. Insbesondere wollen wir uns auch bei unserem Rhetorikcoach John Faulk bedanken. In stundenlangen Sitzungen hat er dem Team einen ganz neuen Blick auf Möglichkeiten und Macht der Rhetorik eröffnet– und dies alles ehrenamtlich. Wir alle werden davon noch lange profitieren.

Eine lange, anstrengende und erfahrungsreiche Zeit ging so für das Team zu Ende. Gleichwohl möchten wir jeden und jede Interessierte ermuntern im kommenden Jahr für die Humboldt-Universität teilzunehmen. Der interkulturelle Austausch, das tiefe Eintauchen in ungeklärte Rechtsfragen und die Auseinandersetzung mit der eigenen Rhetorik sind Erfahrungen, die den Jessup ganz besonders machen.

Bericht: Jasper Kamradt
Bilder: Jan Cludius