Das Jessup Team der HU – enttäuscht aber dankbar

Es ist Samstag der 3. März 2018 und ungefähr 10 Uhr morgens. Die meisten unserer Freunde schlafen wahrscheinlich, wie sich das für einen Samstagmorgen gehört. Wir aber stecken in Anzügen und Hosenanzügen und tigern nervös auf irgendeinem Gang irgendwo im Schleswig-Holsteinischen Landtag in Kiel umher. Wir haben soeben das Viertelfinale der German National Rounds des Philipp C. Jessup International Law Moot Courts bestritten und warten auf die Verkündung des Ergebnisses – entweder wir oder die.

Der Jessup Moot Court ist ein Wettkampf der besonderen Art. Jedes teilnehmende Team bereitet sich über ein halbes Jahr darauf vor, bei den National Rounds sowohl den fiktiven klagenden als auch den beklagten Staat vor dem Internationalen Gerichtshof zu vertreten. Die Gegenseite wird von einer anderen Universität repräsentiert, der Sachverhalt bleibt von Runde zu Runde derselbe und ist gespickt mit Problemen aus dem Völkerrecht. Die Richter und Richterinnen, im wahren Leben Professorinnen, Anwälte oder selbst Richterinnen, beurteilen welches Team seinen Staat souveräner und fachkundiger verteidigt hat und stimmen über den Sieger ab. In den vier Begegnungen der Vorrunden, die über zwei Tage stattfinden, hängt von solch einer Entscheidung noch nicht alles ab. Wichtig ist es in der Vorrunde nur, genügend Punkte zu sammeln, um unter die besten acht Teams kommen. Ob es gereicht hat, wird dann beim sogenannten „Announcement Dinner“ verkündet – das wohl unangenehmste Dinner, das man sich vorstellen kann, denn die Anspannung ist bei allen 20 Teams riesengroß. Zum großen Glück für unsere Nerven wurde unsere Teamnummer beim diesjährigen Dinner zuerst genannt. Wir hatten es unter die besten acht Teams geschafft und durften am nächsten Morgen um 8.30 Uhr im Viertelfinale antreten.

So stehen wir nun am Samstagmorgen in einem Flur des Landtages und warten. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit und wir wissen, dass dies unser letztes Pleading – also Auftritt vor dem Gericht – gewesen sein könnte. Es ist wie im Sport: Ein Team scheidet aus. Wir oder die.

Wir, das sind unsere beiden Coaches, Louise Majetschak und Julian Craven, und für die Kläger Frederika Haug und Gwinyai Machona sowie für den beklagten Staat Moritz Hellmann und Katharina Drosos.

Die, das ist die Ludwig-Maximilians-Universität aus München. LMU gegen HU: Das ist so etwas wie der Classico unter den Moot-Courtlern.

Endlich werden wir hineingerufen und der vorsitzende Richter, Professor von Arnauld, erläutert die Entscheidung. Es sei sehr, sehr knapp gewesen und die Richter hätten letztlich 2:1 gestimmt; für die LMU.

Wir wissen nun, dass es nicht gereicht hat. Es hat nicht gereicht, um ins Halbfinale zu kommen und um die Chance zu wahren, ins Finale einzuziehen. Der Finaleinzug hätte sogleich die Qualifikation für die Internationalen Runden in Washington, D.C. bedeutet; natürlich unser großes Ziel. Nun stehen wir mit leeren Händen da und für einen Moment scheint es so, als wäre alles umsonst gewesen. Wir haben über sechs Monate fast jeden Tag mit dem Sachverhalt und den rechtlichen Problemen befasst. Wir sind zu jeweiligen Expertinnen und Experten auf den Gebieten Inter-State Arbitration, Nuclear (Dis-)armament, Law of the Sea und Naval Warfare geworden. Wir haben monatelang an unseren Schriftsätzen gearbeitet und jede Woche von engagierten Ex-Jessuplern unverblümte aber konstruktive Kritik dafür eingesteckt. Wir haben wertvolles Feedback von Professor Nolte erhalten, welcher mit seinem Lehrstuhl unser Jessup Team betreut. Wir haben uns mit unserem Rhetorik-Coach, John Faulk, auf unsere mündlichen Pleadings vorbereitet und diese vor ehemaligen Teilnehmern und Teilnehmerinnen geprobt. Wir waren bei diversen Kanzleien für eben solche Probepleadings. Und all das hat sich nicht ausgezahlt; zumindest auf dem Papier.

Aber mit einigen Tagen Abstand sind wir als Team wirklich dankbar. Vor allem danken wir der überwältigenden Unterstützung, die wir von allen Seiten erfahren haben: Dem Alumni-Netzwerk, unserem Rhetorik-Coach John, Professor Nolte und seinem Lehrstuhl, sowie den unterstützenden Kanzleien. Von allen, die uns begleitet haben, konnten wir unglaublich viel mitnehmen und werden bis in unser Berufsleben und darüber hinaus davon profitieren; ob in Sachen wissenschaftliches Arbeiten und Zitieren, Rhetorik und Körpersprache oder Argumentationsstrategie. Schon vor dem Beginn der National Rounds hatte es sich also schon gelohnt, Teil unseres Jessup Teams zu sein und es sei jedem und jeder zu empfehlen, sich für das HU Team 2019 zu bewerben.

Die perfekt organisierte Veranstaltung in Kiel stellte dann den Abschluss dieser sechsmonatigen Erfahrung dar und bot Gelegenheit, sich mit den anderen Jessuplern aus ganz Deutschland auszutauschen. Das Kieler Walther-Schücking-Institut war ein hierfür hervorragender Gastgeber. Es bleibt zu hoffen, dass sich auch in den kommenden Jahren Organisatoren finden, die ein so freundschaftliches Zusammenkommen von fast 200 „kleinen Völkerrechtlern und Völkerrechtlerinnen“ ermöglichen. Den einen oder die andere werden wir sicherlich auf unserem Weg wiedersehen und wir freuen uns, das Jessup Team des nächsten Jahres ebenso zu unterstützen, wie wir es erfahren haben. Ganz gleich ob es zum Titel des National Champions (wie 2015 und 2017) oder wie dieses Jahr nur zum Viertelfinal reicht: Die Intensität der Vorbereitung, die Freude am Völkerrecht und die Freundschaften, die entstehen, sind dieselben. Wir hoffen also, dass die HU auch im kommenden Jahr wieder durch ein engagiertes Team vertreten wird; dann mit ein wenig mehr Glück.

Text und Fotos: Gwinyai Machona